Gerade für Kinder sind Rituale besonders wichtig. Sie geben Sicherheit und Struktur und vermitteln Geborgenheit. Kleine Kinder haben weder den ständigen Blick auf die Uhr noch ein Zeitgefühl. Rituale helfen somit auch den Tag, die Woche oder das Jahr zu strukturieren und bieten Orientierung. Vor allem am Abend sind sie bedeutsam, um entspannen zu können und zur Ruhe zu kommen. Gemeinsam gelesene Geschichten, das Abendgebet im Bett, immer dieselbe Abfolge von den geschmatzten Gute-Nacht-Küsschen vor dem Licht abdrehen werden von Kindern gerne eingefordert. Bei uns zu Hause gibt es zum Beispiel am Heiligen Abend immer dasselbe Essen: mittags – typisch für Tirol – die Würstel-Nudel-Suppe und abends den von Opa mit Liebe gemachten italienischen Wurstsalat und die schöne rosafarbene Lachsterrine. Bereits im August höre ich das erste Mal, wie sehr sie sich schon auf Weihnachten freuen, wenn endlich wieder das traditionelle Menü auf den Tisch kommt. Und es ist etwas Besonderes, denn dieses Festessen gibt es wirklich nur einmal im Jahr.
Besonders ist diese Zeit zwischen den Jahren – die sogenannten Raunächte – definitiv. Sie beginnen am 25. Dezember und enden am 6. Jänner. Es ist eine Zeit, in der man sich ganz bewusst besinnen, Altes abschließen und das Neue erwarten kann. Sie eignet sich für alles, was über das vergangene Jahr zu kurz kam, da die Welt zur Ruhe kommt und einem eine Pause gönnt.
Das Ritual der 13 Wünsche bringt in den Raunächten einen wunderschönen Zauber in die Familie. Bereits am 24. Dezember – an dem Tag, an dem man so und so gute Beschäftigungsideen für die Kinder braucht, damit die Zeit bis zum Abend schneller vergeht – setzen wir uns gemeinsam gemütlich ins Wohnzimmer und beschreiben, jeder für sich, 13 einzelne Zettelchen mit Wünschen für das kommende Jahr, die wir anschließend in schöne Gefäße legen. Es geht dabei nicht um die neueste Playstation, sondern um echte Herzensangelegenheiten, um eigene Motivationen oder Gefühle. Dabei können sich mit den Kindern tolle Gespräche entwickeln: was möchten sie gerne können oder lernen, was ist ihnen wirklich wichtig, wovon träumen sie? Natürlich kann man auch gemeinsame Familienwünsche aufschreiben oder eine Kombination davon: ein paar für die Familie, ein paar jeder für sich und wenn einem nichts mehr einfällt, dann gibt es auch genügend Wünsche für andere Menschen in der Welt.
Ab dem 25. Dezember wird dann jeden Abend ein Zettelchen verbrannt, damit der Wunsch darauf Wirklichkeit wird, 12 Mal bis zum 6. Jänner. Jede dieser Nächte steht für einen Monat im folgenden Jahr. Der übrig gebliebene 13. Zettel wird am letzten Tag geöffnet – ob heimlich, nur für sich, oder gemeinsam, bleibt jedem selbst überlassen. Diesen Wunsch darf man sich selbst erfüllen und es gilt, alles daran zu setzen, dass er wahr wird. Ihr könnt ihn so lange aufbewahren, bis er erfüllt ist oder ihr glaubt, dass es Zeit ist, ihn loszulassen. Es geht dabei nicht darum, sich selbst unter Druck zu setzen, sondern Vertrauen aufzubauen, dass Dinge so laufen, wie sie laufen sollen. Manches geht ganz schnell, anderes braucht längere Zeit.
Besonders empfehlen kann ich dieses Ritual für Kinder ab dem Schulalter, wenn sie auch schon selbst schreiben können. Meiner Tochter hat es letztes Jahr besondere Freude bereitet, die Asche der Zettel zu sammeln und am Ende in den nahegelegenen Bach zu streuen, um die Wünsche sprichwörtlich dem Fluss des Lebens zu übergeben. Wir werden dieses bezaubernde Ritual heuer bestimmt wieder machen und wünschen auch euch eine bezaubernde und besinnliche Zeit, um gemeinsam zur Ruhe zu kommen und sich gespannt auf das Neue zu freuen.
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